Eine Volksinitiative will die Rentenplafonierung für Ehepaare abschaffen. Das klingt auf den ersten Blick gerecht, doch bei genauerem Hinsehen zeigt sich: Diese Forderung ist einseitig, teuer und verkennt bewusst alle Vorteile und Privilegien, die Ehepaare im heutigen System haben. Statt für Gleichbehandlung bringt die Initiative die AHV noch mehr in finanzielle Schieflage – das trifft uns alle.
Die Volksinitiative der Mitte-Partei fordert, dass Ehepaare künftig nicht mehr auf 150 Prozent einer Maximalrente begrenzt sein sollen. Klingt einfach, klingt fair – ist es aber nicht. Denn die Rentenplafonierung ist Teil eines umfassenden Systems, das Ehepaare an vielen anderen Stellen bevorzugt behandelt.
Diese Privilegien – von der Witwenrente bis zum Rentenzuschlag im Todesfall – bleiben im Initiativtext unerwähnt. Die Initiative blendet systematisch aus, dass Ehepaare bereits heute mehrfach bessergestellt sind als Konkubinatspaare oder Alleinstehende.
Ehepaare profitieren – weit über die Rente hinaus
Einige Beispiele, die in der politischen Debatte selten thematisiert werden:
- Witwen- und Witwerrenten: Nur Ehepaare haben Anspruch darauf.
- 20 Prozent Zuschlag bei Verwitwung: Stirbt ein Ehepartner, erhält der überlebende Ehegatte einen Zuschlag auf die Rente – ein Vorteil, den Unverheiratete nicht erhalten.
- Beitragspflicht und Versicherungsschutz: Bei Ehepaaren gelten spezielle Regeln, die etwa bei ungleichem Einkommen vorteilhafter wirken als bei Konkubinatspaaren.
Kurz gesagt: Die Plafonierung ist kein Ausdruck von Diskriminierung, sondern ein Ausgleich für andere Vorteile, die Ehepaare geniessen – bewusst ausgestaltet im Rahmen des solidarischen AHV-Systems.
Teure Symbolpolitik auf dem Rücken der Jungen
Die Initiative ignoriert nicht nur die Systemlogik, sie verschärft auch die Finanzierungskrise der AHV massiv. Die Mehrkosten werden auf 3 bis 4 Milliarden Franken jährlich geschätzt – ohne seriösen Finanzierungsvorschlag.
Dabei ist die Finanzierung der 13. AHV-Rente noch immer ungelöst. Trotzdem fordert die Initiative den nächsten milliardenschweren Ausbau. Wer heute ohne Gegenfinanzierung ausbaut, verschärft morgen den Reformdruck – mit absehbaren Folgen: höhere Lohnabgaben, höhere Mehrwertsteuern oder Leistungskürzungen.
Zahlen müssen vor allem die Jungen, die heute arbeiten und morgen Renten beziehen möchten – in einem System, das immer mehr Lasten auf immer weniger Schultern verteilt.
Ein Angriff auf das Prinzip der Generationengerechtigkeit
Wer von Gerechtigkeit spricht, muss auch an die denken, die das System langfristig tragen. Die vorliegende Initiative tut das nicht. Sie richtet ihre Initiative an eine Bevölkerungsgruppe, die besonders abstimmungsfreudig ist – ältere, verheiratete Paare – und verspricht ihnen eine bessere Rente, ohne die finanziellen Konsequenzen offenzulegen.
Die politische Logik ist klar: Stimmen kaufen mit ungedeckten Versprechen. Doch Gerechtigkeit bedeutet nicht, einer Gruppe Vorteile zu verschaffen, indem man die Lasten auf alle anderen verteilt. Besonders dann nicht, wenn jene Gruppe bereits im bestehenden System überdurchschnittlich gut gestellt ist.
Fazit: Wer Gleichbehandlung will, muss alle Seiten sehen
Die Plafonierung von Ehepaarrenten ist ein Teil eines Gesamtsystems. Es gibt gute Argumente, dieses zu reformieren. Einfach ein Element herauszubrechen ist aber keine Lösung. Eine Reform muss auch bei den Privilegien der Ehe bei der AHV ansetzen.
Die Initiative aber tut das Gegenteil: Sie präsentiert ein einseitiges Bild, verschweigt systemische Vorteile und verursacht Milliardenkosten – ohne Rücksicht auf die Finanzlage der AHV oder auf die Generationen, die sie tragen sollen.
Wer die AHV erhalten will, braucht keine populistischen Ausbauvorlagen – sondern Ehrlichkeit, Augenmass und Verantwortung.